Mit Geld spielt man nicht - Zur Strafbarkeit von "Finanzwetten" als Untreue

Dass wirtschaftliche Tätigkeit den Umgang mit Geldern und anderen Vermögenswerten voraussetzt, dürfte auch dem juristischen Laien klar sein.

 

Doch dieser Umgang wird immer komplizierter. Neben immer neuen Regelungen zur Verhinderung von Geldwäsche, zur Vermeidung von Fehlern bei der steuerlichen Behandlung und kaum noch zu durchschauenden Finanzanlagen, spielen auch klassische Risiken beim Umgang mit Vermögen weiter eine ernstzunehmende Rolle.

 

Dies gilt umso mehr, handelt es sich nicht um das eigene Vermögen.

 

Kommt es zu Fehlern bei der Betreuung fremden Vermögens, steht recht schnell der Vorwurf der Untreue nach § 266 StGB im Raum.

 

Der Straftatbestand der Untreue zählt zum absoluten Kernbereich des Wirtschaftsstrafrechts. Spektakuläre Gerichtsverfahren wie das gegen Thomas Middelhoff, zur Bremer Vulkan AG oder rund um die Insolvenz der Nürburgring GmbH haben diese strafrechtliche Regelung außerdem einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht.

 

Ein besonderer Brennpunkt ist auch das Risiko einer Untreue im öffentlichen Dienst vor dem Hintergrund, von, den Haushalt im Endeffekt schädigenden Entscheidungen.

Ein Blick auf die Rechtsprechung zur Vermögensbetreuungspflicht kommunaler Entscheidungsträger bei Finanzgeschäften

Zu eben diesem Themenkreis hat der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshof jüngst erneut entschieden (Beschluss vom 19.09.2018 - 1 StR 194/18, hier zitiert nach bundesgerichtshof.de).

 

Dabei bestätigte der Senat zunächst seine Rechtsprechung zu der Frage, ob und wann einen Beschäftigten im öffentlichen Dienst eine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich des Körperschaftsvermögens (vereinfacht z.B. Stadtkasse) trifft.

 

Dies knüpft an die Entscheidung vom 21.02.2017 (1 StR 296/16, im Folgenden zitiert nach HRRS 2018 Nr. 29) an, in der der Senat zur Vermögensbetreuungspflicht in diesem Zusammenhang anmerkte:

 

"Eine Vermögensbetreuungspflicht ist gegeben, wenn den Täter eine inhaltlich besonders herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen trifft, im Rahmen derer ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird, so dass er ohne eine gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zugreifen kann (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 9. November 2016 - 5 StR 313/15, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 55 und vom 28. Juli 2011 - 4 StR 156/11, NJW 2011, 2819; Beschlüsse vom 1. April 2008 - 3 StR 493/07, wistra 2008, 427, 428; vom 13. September 2010 - 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 297 f.; vom 5. März 2013 - 3 StR 438/12, BGHR StGB § 266 Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 52; vom 26. November 2015 - 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 f. und vom 16. August 2016 - 4 StR 163/16, NJW 2016, 3253, jeweils mwN)." (BGH, aaO, Rn. 50)

 

Eine Verletzung dieser Vermögensbetreuungspflicht kann nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung auch durch den Abschluss riskioreicher Finanzgeschäfte unter Verletzung haushaltsrechtlicher Vorgaben und Grundsätze liegen (BGH, aaO, Rn. 54).

 

Dazu führte der Senat in der aktuellen Entscheidung aus:

 

"Nach der Rechtsprechung des Senats konkretisiert sich der Maßstab der Sorgfaltspflicht, den ein kommunaler Entscheidungsträger bei Abschluss von Finanzgeschäften zu beachten hat, aufgrund der kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere dem für Gemeinden geltenden Spekulationsverbot, das sich als Teilaspekt des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit darstellt, wie folgt (vgl. im Einzelnen BGH, Urteil vom 21.Februar 2017 – 1 StR 296/16, aaO mwN): Ein Finanzgeschäft einer Kommune muss zunächst einen sachlichen und zeitlichen Bezug zu einem konkret vorhandenen oder aktuell neu abgeschlossenen Kreditvertrag dergestalt aufweisen, dass das mit dem Grundgeschäft verbundene Risiko durch das Finanzgeschäft in einerangemessenen Weise abgesichert oder optimiert wird (sachliche und zeitliche Konnexität). Trotz bestehender Konnexität ist der Abschluss eines Finanzgeschäfts aber auch dann pflichtwidrig, wenn das Risiko des Kapitalverlustes die Chance des Kapitalgewinns deutlich übersteigt, also keine günstige Relation zwischen angestrebtem Zweck und dafür eingesetzten Mitteln besteht, und dadurch die kommunale Aufgabenbindung und -erfüllung nicht unerheblich gefährdet wird; dies kann insbesondere bei hochspekulativen Finanzgeschäften der Fall sein. Ein Finanzgeschäft darf weiterhin auch dann nicht abgeschlossen werden, wenn die Abwägungsentscheidung infolge von Informationsdefiziten oder Mängeln bei der Sachverhaltserfassung nicht richtig erfolgen konnte. Zudem darf die Entscheidung für das Finanzgeschäft nicht auf Erwägungen beruhen, die der kommunalrechtlichen Haushaltswirtschaft fremd sind. Schließlich dürfen konkrete Anweisungen der zur Aufsicht berufenen Stellen zu Art und Umfang des Geschäfts, Mindestkonditionen, Geschäftspartner etc. nicht zu Gunsten einer Chance auf höhere Kostenreduzierung missachtet werden; sofern diese Stellen umgangen werden, indiziert dies die Pflichtwidrigkeit."

Der Vermögensnachteil

Schließlich muss für eine Strafbarkeit nach § 266 StGB auch ein Vermögensnachteil festgestellt werden, was der Senat in der vorgestellten Entscheidung nicht vermochte und das Urteil des Landgerichts aufhob.

 

Als Vermögensnachteil im Sinne des Gesetzes wird gemeinhin jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße verstanden. Die Vermögensminderung ist dabei nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung festzustellen; maßgeblich ist der Vergleich der Vermögenswerte unmittelbar vor und nach der pflichtwidrigen Verhaltensweise zu Lasten des betroffenen Vermögens (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14, BGHSt 60, 94, 109 f. Rn. 33; Beschlüsse vom 8. März 2017 – 1 StR 540/16, wistra 2017, 437, 438 Rn. 14 und vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 304 Rn. 41 jeweils mwN).

 

Ein Nachteil im Sinne von § 266 Abs. 1 StGB kann als sogenannter Gefährdungsschaden auch darin liegen, dass das Vermögen des Geschädigten aufgrund der bereits durch die Tathandlung begründeten Gefahr des späteren endgültigen Vermögensabflusses in einem Maße konkret beeinträchtigt wird, dass dies schon zu diesem Zeitpunkt eine faktische Vermögensminderung begründet. Jedoch darf dann die Verlustwahrscheinlichkeit nicht so diffus sein oder sich in so niedrigen Bereichen bewegen, dass der Eintritt eines realen Schadens letztlich nicht belegbar bleibt. Voraussetzung ist vielmehr, dass unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls der Eintritt eines Schadens so naheliegend erscheint, dass der Vermögenswert aufgrund der Verlustgefahr bereits gemindert ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 221 ff.; BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16, BGHSt 62, 144, 154 f. Rn.81 mwN).

 

Problematisch ist bei dem Institut des Gefährdungsschadens in derartigen Fallkonstellationen insbesondere, dass danach bereits der Abschluss wirtschaftlich nachteiliger Verträge eine dem Vermögensschaden gleichstehende Vermögensgefährung darstellen kann.

 

Da ohne eine weitere Einschränkung das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils keinerlei Bedeutung mehr hätte, hat das Bundesverfassungsgericht das sogenannte "Verschleifungsverbot" entwickelt, dass es verbietet, Tatbestandsmerkmale derart auszuweiten, dass sie vollständig sinnentleert würden und so quasi wegfiele. Dies wäre hier dann der Fall, wenn die Pflichtwidrigkeit, also z.B. der Abschluss eines Vertrages, ohne dass es auch nur zu einem konkreten Nachteil hätte kommen können, bereits den Vermögensnachteil indizierte.

 

Der Senat führt in der aktuellen Entscheidung (aaO, Rn. 24) hierzu aus:

 

"Da der Vermögensnachteil ein selbstständiges, neben der Vorausset-zung der Pflichtverletzung stehendes Tatbestandsmerkmal darstellt, das nicht indem Merkmal der Pflichtwidrigkeit aufgehen darf (sog. Verschleifungsverbot, vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 221ff.; BGH, Beschluss vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, BGHSt 55, 288, 304 Rn. 43 mwN), ist dieser – von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen, etwa bei einem ohne weiteres greifbaren Mindestschaden – eigenständig zu ermitteln, anhand üblicher Maßstäbe des Wirtschaftslebens zu konkretisieren und zu beziffern (st. Rspr.;vgl. nur BGH, Urteil vom 21. Februar 2017 – 1 StR 296/16, BGHSt 62, 144, 155 Rn. 82; Beschlüsse vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15, wistra 2016, 314, 321 Rn. 62 und vom 13. September 2010 – 1 StR 220/09, aaO jeweils mwN; BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 2010 – 2 BvR 2559/08 u.a., BVerfGE 126, 170, 229)."

Kommentar schreiben

Kommentare: 0