Neue Entscheidungen zur Berücksichtigung einer langen Verfahrensdauer bei der Strafzumessung

Die sognannte "überlange Verfahrensdauer" und die "rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung" sowie die Fragen zur Behandlung dieser im Strafverfahren waren schon häufiger Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung.

 

Auch an dieser Stelle wurden beispielsweise der Vollstreckungslösung des Bundesgerichtshofes einige Zeilen gewidmet.

 

Neben vielen weiteren Fragen und Problemen aus diesem Themenbereich, die uns angesichts einer verfehlten Personalpolitik in der Justiz in Zukunft häufiger begegnen werden, sind auch immer wieder Fehler im Rahmen der Strafzumessung sowie der allgemeinen Berücksichtigung der Verfahrensdauer im Urteil Gegenstand der revisionsgerichtlichen Rechtsprechung. Zwei aktuelle Entscheidungen werden im Folgenden kurz dargestellt.

Beschluss vom 05.10.2017 - 2 StR 573/16

In seiner Entscheidung vom 5.10.2017 (2 StR 573/16) hat der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes nochmals die Bedeutung einer langen Verfahrensdauer für die Strafzumessung betont.

 

Das Landgericht hatte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und in der Begründung zur Verfahrensdauer lediglich ausgeführt, dass „die Tat zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung rund 5 Jahre zurücklag“.

 

Dies reicht dem Bundesgerichtshof nicht aus, der zur Bedeutung der Verfahrensdauer wie folgt ausführte:

 

„Eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer ist indes ungeachtet eines geringeren Strafbedürfnisses aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen Tatbegehung und Urteil (vgl. Stree/Kinzig in: Schönke/ Schröder, StGB, 29. Aufl., § 46 Rn. 57, 57a) und eines gewährten Vollstreckungsabschlags bei der Strafzumessung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 142; Beschluss vom 16. Juni 2009 - 3 StR 173/09, StV 2009, 638, 639) und stellt einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO dar (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 3 StR 157/08, juris Rn. 7; Senat, Urteil vom 24. März 2016 - 2 StR 344/14, juris Rn. 49).“

Beschluss vom 26.10.2017 - 1 StR 359/17

Ähnlich positioniert sich der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in der zitierten Entscheidung. Darüber hinaus beschreibt der Senat die wesentlichen Aspekte unter denen die Verfahrensdauer bei der Urteilsfindung und -begründung von Belang sein kann. So sei die Verfahrensdauer unter drei Gesichtspunkten zu berücksichtigen:

 

"Zum einen kann der betreffende Zeitraum bereits für sich genommen ins Gewicht fallen. Unabhängig hiervon kann zum zweiten einer überdurchschnittlich langen Verfahrensdauer eine eigenständige Bedeutung zukommen, bei der insbesondere die mit dem Verfahren selbst verbundenen Belastungen des Angeklagten zu berücksichtigen sind. Zum dritten kann sich schließlich eine darüber hinausgehende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung zu Gunsten des Angeklagten auswirken (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2017 – GSSt 2/17, Rn. 26, zum Abdruck in BGHSt bestimmt; vom 17. Januar 2008 – GSSt 1/07, BGHSt 52, 124, 141 f. und vom 21. Dezember 1998 – 3 StR 561/98, NJW 1999, 1198 f.)."

 

Insbesondere sei -wie in dem zu entscheidenden Fall- ins Auge zu fassen, ob und welchem Umfang Ermittlungsmaßnahmen wie Durchsuchungen bereits in einem frühen Verfahrensstadium stattgefunden haben und so die Belastung für den Angeklagten vergrößert haben. Der Zeitraum zwischen diesen und der Urteilsfindung sei ein "eigenständiger und auch bestimmender Strafzumessungsgesichtspunkt" (BGH, aaO, zitiert nach bundesgerichtshof.de, dort Rn. 5).

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