Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe einer Steuererklärung - Strafbarkeit des faktischen Geschäftsführers?

Der § 370 AO bestraft neben der Abgabe unrichtiger und unvollständiger Steuererklärungen in § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO auch die Nichtabgabe von Steuererklärungen. Da es sich bei dieser Tatbestandsvariante um ein unechtes Unterlassungsdelikt handelt, erfordert eine Strafbarkeit das Vorliegen einer Aufklärungspflicht (Lohr in: Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, 2. Auflage, § 32, Rn. 70; Joecks in: Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 8. Auflage, § 370 AO, Rn. 161).

 

Demnach kommen als Täter, da eine Strafbarkeit von Unternehmen nach geltendem Recht auch im Steuerstrafrecht nicht gegeben ist, nur die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens in Betracht. Wer als gesetzlicher Vertreter zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten verpflichtet ist, bestimmt zunächst der § 34 AO. So heißt es in § 34 Abs. 1 AO:

 

"Die gesetzlichen Vertreter natürlicher und juristischer Personen und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten."

 

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist schon wegen § 35 Abs. 1 GmbHG der Geschäftsführer (so auch: Rüsken in: Klein, Abgabenordnung, 10. Auflage, § 34, Rn. 6). Ebenso sind Vereinsvorsitzende und Geschäftsführer von Personengesellschaften wie der OHG, KG und GbR für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der jeweiligen Vereinigungen und Vermögensmassen verantwortlich (Rüsken, aaO, Rn. 7 mit weiteren Nachweisen).

Der faktische Geschäftsführer im Steuerstrafrecht

Angesichts der immer wieder auftretenden Konstellationen in denen der formell bestellte Geschäftsführer nur ein "Strohmann" ist und die Geschäfte tatsächlich von einer anderen Person geführt werden, stellt sich die Frage ob auch dieser faktische Geschäftsführer steuerstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann.

 

Dabei ist zu beachten, dass zumindest nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht auf das Erfordernis des Vorliegens einer Pflicht zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen verzichtet werden (BGH, Urteil vom 9. 4. 2013 - 1 StR 586/12 in: DStR 2013, 1177, beck-online). Ein Zurechnung über die allgemeinen Kriterien der Mittäterschaft kommt demnach nicht in Betracht (BGH, aaO). Allerdings treffen den Verfügungsberechtigten im Sinne des § 35 AO die selben Pflichten wie den gesetzlichen Vertreter, so dass eine Strafbarkeit des Verfügungsberechtigten bei der Nichterfüllung steuerlicher (Erklärungs-)pflichten in Betracht kommt. Der Bundesfinanzhof definiert den Verfügungsberechtigten in diesem Zusammenhang wie folgt:

 

"Verfügungsberechtigter i.S. des § 35 AO ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH jeder, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich über Mittel, die einem anderen zuzurechnen sind, verfügen kann und als solcher nach außen auftritt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Entscheidungen vom 10. Mai 1989 I R 121/85, BFH/NV 1990, 7; vom 27. November 1990 VII R 20/89, BFHE 163, 106, BStBl II 1991, 284; vom 24. April 1991 I R 56/89, BFH/NV 1992, 76; in BFH/NV 1993, 213; vom 19. Mai 2009 VII B 207/08, nicht veröffentlicht --n.v.--). Eine rechtliche Verfügungsmacht besteht danach, wenn der Verfügungsberechtigte die Pflichten des gesetzlichen Vertreters --mittelbar-- durch die Bestellung der entsprechenden Organe erfüllen lassen kann (s. Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 35 AO Rz 10, 14; Jatzke in Beermann/Gosch, AO § 35 Rz 10, 11, 19). Der "Auftritt nach außen" liegt vor, wenn der faktische Geschäftsführer sich gegenüber einer begrenzten Öffentlichkeit als solcher geriert, das Auftreten gegenüber der allgemeinen Öffentlichkeit aber weisungsabhängigen Personen überlässt (BFH-Urteil in BFH/NV 1992, 76; vgl. auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 25. Juni 2008  12 K 407/04, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1434)."  (BFH, Urteil vom 5.8.2010, V R 13/09, hier abrufbar)

 

Dem schließt sich der Bundesgerichtshof in Strafsachen im Wesentlichen an (BGH, aaO, Rn. 77 aa)). Ist also der faktische Geschäftsführer auch als Verfügungsberechtigter im Sinne des § 35 Abs. 1 AO anzusehen, haftet dieser auch steuerstrafrechtlich für die Nichtabgabe von Steuererklärungen. Der Bundesgerichtshof fasst es in dem bereits zitierten Urteil treffend zusammen, wenn er ausführt:

 

"Eine eigene Rechtspflicht zur Aufklärung über steuerlich erhebliche Tatsachen trifft gemäß § 35 AO auch den Verfügungsberechtigten. Verfügungsberechtigter im Sinne dieser Vorschrift kann auch ein steuernder Hintermann sein, der ihm gegenüber weisungsabhängige „Strohleute” im Rechtsverkehr nach außen im eigenen Namen auftreten lässt." (DStR 2013, 1177, beck-online)

 

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das Strafbarkeitsrisiko des faktischen Geschäftsführers -wie beispielsweise auch im Insolvenzstrafrecht- nicht unterschätzt werden sollte, dass es im Steuerstrafrecht aber der Feststellung bedarf, dass der faktischer Geschäftsführer auch als Verfügungsberechtigter anzusehen ist. Dies eröffnet entsprechende Verteidigungsansätze.

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