Der Suizid des Dschaber al-Bakr - eine Diskussionsgrundlage zu Maßnahmen in der Untersuchungshaft

Der Suizid des Dschaber Al-Bakr in der Untersuchungshaft bestimmt die Medien. Dabei tritt m.E. ein absolutes Unverständnis vom Institut der Untersuchungshaft zu Tage, so dass ich mich genötigt sehe auch ein paar Zeilen dazu zu schreiben.

 

Die Untersuchungshaft ist keine Strafhaft. Sie dient nicht dazu, den Beschuldigten (Verdächtigen) zu bestrafen. Während des Untersuchungshaftvollzugs gilt der Inhaftierte als unschuldig. Hassemer nannte die Untersuchungshaft deshalb auch "Freiheitsberaubung gegenüber einem Unschuldigen" (StV 1984, S. 40).

 

Wie beinahe jedem Kommentar zu entnehmen ist, dient die Untersuchungshaft nur dazu, die Durchführung eines geordneten Strafverfahrens zu gewährleisten und die spätere Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder Sicherungsmaßregel sicherzustellen (Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, Vor § 112, Rn. 4).

 

Dieser Ansatz zeigt sich auch in der Ausgestaltung des Untersuchungshaftvollzugs. So lautet beispielsweise der § 4 des Gesetzes über den Vollzug der Untersuchungshaft in Mecklenburg-Vorpommern (Untersuchungshaftvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern - UVollzG M-V) wie folgt:

 

"Die Untersuchungsgefangenen gelten als unschuldig. Sie sind so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.

Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, dürfen den Untersuchungsgefangenen nur Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit, zur Abwehr einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt oder zur Umsetzung einer verfahrenssichernden Anordnung unerlässlich sind. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zum Zweck der Anordnung stehen und dürfen die Untersuchungsgefangenen nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen."

 

Die Frage, ob ein suizidgefährdeter Inhaftierter also z.B. mittels Videokameras 24 Stunden am Tag überwacht werden darf und ob er gezwungen werden darf, Papierkleidung zu tragen und einem gefliesten Haftraum zu leben, der nur ein angeschraubtes Bett ohne Laken o.Ä. und eine eingelassene Toilette enthält, muss vor diesem Hintergrund extrem kritisch gesehen werden.

 

Mit der Menschenwürde ist dieses Vorgehen m.E. keinesfalls vereinbar. Der unschuldige Betroffene wird vollständig entmenschlicht und zum Objekt staatlichen Handelns. Eine derartige Unterbringung menschenverachtend und widerlich zu nennen, wäre noch stark untertrieben. Es stellt sich vielmehr auch die Frage, ob nicht ein Recht auf Selbstverletzung und Selbsttötung von der Menschenwürde abgeleitet werden kann (so z.B. hier). Außer in Fällen einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung würde ich dies bejahen. Wenn wir die Freiheit des Einzelnen befürworten, müssen wir dem Einzelnen auch die Freiheit gewähren, sein Leben zu beenden. Jedenfalls sind die angedachten und durchgeführten Maßnahmen zur Überwachung unter der Prämisse eines ungewollten Selbstschutzes und einer Verfahrenssicherung unverhältnismäßig.

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Kommentare: 3
  • #1

    Cheyenne Leeks (Donnerstag, 02 Februar 2017 17:33)


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    Andreas (Sonntag, 05 März 2017 18:20)

    Nachdem hier bisher nur Algos kommentiert haben: Schön geschriebener Artikel, der den tragischen Fall von einer anderen Seite beleuchtet. Bisher habe ich immer nur die Argumente gelesen inwieweit die JVA die Suizidgefahr hätte erkennen können und den Suizid hätte verhindern können. Ungeachtet der Frage ob sie dies überhaupt hätte müssen bzw dürfen.
    Danke auch für die anderen interessanten Blog-Einträge, weiter so!