Wenn Sicherheitsgefühl wichtiger ist als Sicherheit - Das Wahlprogramm der CDU Mecklenburg-Vorpommern

Nachdem ich mich bereits in der letzten Woche mit dem Wahlprogramm der AfD Mecklenburg-Vorpommern in puncto Strafrecht auseinander gesetzt habe (hier geht es zu diesem Artikel), ist nun die CDU dran. In gewohnter Art und Weise habe ich mir das aktuelle Programm der Landespartei heruntergeladen und werde die, mit dem Strafrecht zusammenhängenden Aussagen präsentieren und kommentieren.

 

Unter dem Punkt "Justiz: Schneller, effektiver, effizienter" des hier herunterzuladenden Parteiprogramms heißt es zunächst:

 

"Wir brauchen schnellere Verfahren: 100 zusätzliche Richter und Staatsanwälte müssen eingestellt werden."

 

Diese Forderung ist -auch aus anwaltlicher Sicht- zu begrüßen. Eine personell gut aufgestellte Justiz kann Verfahren grundsätzlich schneller und damit bürgerfreundlicher bearbeiten und abschließen. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass Berufungen in Zivilsachen vor dem Oberlandesgericht Rostock bereits mehrere Jahre in Anspruch nehmen und auch bei den Landgerichten eine Verfahrendauer von über einem Jahr keine Seltenheit ist. Allerdings ist zweifelhaft, warum die CDU, deren Stimmen die Gerichtsreform in Mecklenburg-Vorpommern mittrugen und damit u.a. zu einer schrittweisen Reduzierung der Amtsgerichte von 21 auf 10 (und 6 Zweigstellen) führten, nunmehr Personal derart massiv aufstocken will. Wohlwollend mag man einen Sinneswandel unterstellen wobei auch ein fadenscheiniges Wahlversprechen nicht fernliegend ist.

 

Weiter heißt es auf Seite 13 des Programms:

 

"Dazu gehört für die CDU auch ein strenger Strafvollzug. So trägt im Gegensatz zu allzu großer Nachsicht gegenüber Straftätern vor allem eine konsequente Strafvollstreckung zu einem Sicherheitsgefühl der Bevölkerung bei."

 

Zunächst bleibt die CDU eine Erklärung schuldig, was sie unter "strengem Strafvollzug" und "konsequenter Strafvollstreckung" versteht. Es ist auch nicht ersichtlich, ob und inwieweit es mit "Strenge" und "Konsequenz" des Strafvollzugs Probleme gibt.

 

Da jedoch explizit von Strafvollzug gesprochen wird, einige Anmerkungen dazu.

 

Der Strafvollzug ist Ländersache. Für Mecklenburg-Vorpommern ist dementsprechend das "Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe in Mecklenburg-Vorpommern – (Strafvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern – StVollzG M-V), welches hier heruntergeladen werden kann, einschlägig. Ziel des Strafvollzugs ist es nach § 2 des zitierten Gesetzes, den "Gefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen. Er hat die Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen." Der Jurist nennt dies den Resozialisierungsgedanken des Strafvollzugs. Diesen gibt es nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern, sondern er findet sich in jedem Strafvollzugsgesetz in Deutschland.

 

Deshalb ist der Strafvollzug so ausgestaltet, dass nach Möglichkeit eine Aufarbeitung der Straftaten stattfindet (§ 3 Abs. 1 StVollzG M-V), der Bezug der Gefangenen zum gesellschaftlichen Leben gewahrt und gefördert wird (§ 3 Abs. 6 StVollzG M-V) und z.B. Gefangene darin unterstützt werden, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Daneben gibt es viele weitere Möglichkeiten auf den Gefangenen Einfluss zu nehmen.

 

Dies scheint der CDU zu "weich" bzw. zu "mild". Dabei scheint sie alles zu ignorieren, was die Psychologie, Kriminologie und Rechtswissenschaften in den letzten Jahrzehnten in tausenden Studien und Abhandlungen zum Strafvollzug und zu dessen Wirksamkeit herausgefunden haben. Dabei geht nicht um "Nachsicht" mit Straftätern und nicht um "Milde", sondern um den Schutz der Bevölkerung vor Straftaten.

 

Eine harte Strafe führt -wie schon von Liszt 1905 ausführte- nicht dazu, dass der Betroffene keine weiteren Straftaten mehr begeht. Vielmehr verstärken sich insbesondere bei Haftstrafen die Verbindungen in ein kriminelles Millieu. Der Täter wird stigmatisiert, berufliche Perspektiven und gesellschaftliches Ansehen verringern sich massiv. Eine so geprägte und ausgeschlossene Person ist viel eher geneigt auch weiterhin Straftaten zu begehen, als beispielsweise eine Person die durch eine regelmäßige Tätigkeit und entsprechende Qualifikationen am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilnimmt.

 

Das bedeutet auch, dass die Forderung der CDU vielleicht das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung steigert, die Umsetzung aber das Gegenteil bewirkt. Ehemalige Häftlinge werden so nur gefährlicher.

 

Persönlich ärgert mich an dieser Forderung ganz besonders, dass es ein Leichtes wäre, die Bevölkerung über diese -wissenschaftlich belegten- Zusammenhänge zu unterrichten. Stattdessen wird offen in das Programm geschrieben, dass man das Sicherheitsgefühl, nicht die Sicherheit der Bevölkerung steigern möchte. Dies ist an -wohl ungewolltem- Zynismus nicht zu überbieten.

 

Direkt im Anschluss fordert die CDU Mecklenburg-Vorpommern:

 

"Darüber hinaus brauchen wir ein schärferes Strafrecht etwa im Bereich der Sexualdelikte oder insbesondere auch bei Delikten gegen Repräsentanten des Staates wie Polizisten, Soldaten oder Justizvollzugsbeamten."

 

Zunächst ist auch hier nicht ersichtlich was unter einem "schärferen Strafrecht" zu verstehen sein soll. Möglich ist es einerseits, dass die Anwendbarkeit des Strafrechts ausgeweitet wird, wie es gerade im Sexualstrafrecht geschehen ist (Lesen Sie hier mehr zu der gefeierten Reform, nach der ein überraschender Zungenkuss als Vergewaltigung bestraft werden kann). Anderseits könnten auch die Strafrahmen, also die minimal und maximal zu verhängenden Strafen erhöht werden.

 

Als Beispiel für (Straf-)Rechtsgebiete nennt die CDU das Sexualstrafrecht und Straftaten gegen Repräsentanten des Staates.

 

Wie ich bereits im Beitrag zum Wahlprogramm der AfD Mecklenburg-Vorpommern dargestellt habe, sind Repräsentanten des Staates keinesfalls schutzlos. Neben allen bestehenden Strafgesetzen schützt sie auch ein eigener Tatbestand vor Widerstand. Demnach ist schlicht nicht erkennbar womit der Handlungsbedarf begründet werden soll. Selbst der Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB), der keine Körperverletzung voraussetzt, kann mit bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe bestraft werden. Bei einer Körperverletzung (§ 223 StGB) sind maximal 5 Jahre Freiheitsstrafe möglich wohingegen die Strafe bei eine gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) zwischen 6 Monaten und 10 Jahren Freiheitsstrafe liegt. All dies gilt selbstverständlich auch bei Angriffen auf Polizisten, Soldaten und Justizvollzugbeamte.

 

Im Übrigen dürfte auch eine drohende schwere Strafe oder ein weiteres, Beamte schützendes Gesetz, weder die Zahl noch die Intensität der Angriffe senken, da sich ein betrunkender junger Mann (und dies sind nach Meinung des ehemaligen Bundesvorsitzenden der GdP die häufigsten Täter) im Moment eines Angriffs keinerlei Gedanken über die Folgen macht.

 

Zum Sexualstrafrecht habe ich mich bereits geäußert. Wie auch die aktuelle Reform, setzt die Forderung nach einem schärferen Sexualstrafrecht nicht am eigentlichen Problem an. Das echte Problem ist nicht der Strafrahmen, sondern die Sachaufklärung. Sexualstraftaten werden regelmäßig nicht vor Zeugen oder -wie im Fall der Frau Lohfink- vor Videokameras begangen. Die häufigste Konstellation ist die sogenannte Aussage-gegen-Aussage-Konstellation. Eine Person behauptet Opfer einer Straftat geworden zu sein, die beschuldigte Person bestreitet dies. In vielen Fällen gibt es keine weiteren Beweismittel. Es ist ersichtlich, dass an diesem Umstand auch enorme Strafandrohungen oder die "Nur Ja heißt Ja"-Doktrin nichts ändern können. Es wird weiter Freisprüche für Schuldige und Verurteilungen von Unschuldigen geben. Das Einzige was dagegen hilft, sind Sorgfalt, Mühe und Augenmaß bei der Durchführung eines Strafverfahrens.

 

Der Vollständigkeit halber weise ich darauf hin, dass die CDU die Reform des "Mord-Paragraphen" ablehnt und einen besseren Opferschutz fordert.

 

Diese Forderungen bleiben aus Zeitgründen unkommentiert. Ein Beitrag zum derzeitgen Tatbestand des Mordes findet sich hier.

 

Das Fazit fällt verhältnismäßig kurz aus.

 

Die Forderungen der CDU können als populistisch bezeichnet werden. Sie ignorieren tatsächliche und wissenschaftlich belegte -aber komplizierte- Gegebenheiten um einfache und knappe Forderungen aufzustellen. Dass diese Forderungen bei Umsetzung nicht zur Verbesserung der Situation führen, sondern allenfalls den Anschein einer solchen erwecken nimmt sie dabei in Kauf.

 

Der nächste Beitrag wird sich -dem Alphabet gemäß- mit dem Programm der FDP befassen.

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